Neue Datenschützerin: Auf Specht-Riemenschneider wartet ein volles Programm

Die designierte Bundesbeauftragte für den Datenschutz darf sich auf zahlreiche heiße Themen freuen. Die Wahl wird voraussichtlich im Mai über die Bühne gehen.

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Louisa Specht-Riemenschneider auf einer Veranstaltung in Bonn im Februar.

(Bild: Volker Lannert / Universität Bonn)

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Von
  • Falk Steiner
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FDP und Grüne haben sich geeinigt: Louisa Specht-Riemenschneider soll Deutschlands oberste Datenschützerin werden. "Louisa Specht-Riemenschneider ist unsere erste Wahl", sagte Konstantin Kuhle, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP, am Mittwoch in Berlin. "Mit ihr würde erstmals eine Privatrechtlerin Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit." Auf die Kandidatin warten wichtige Diskussionen.

Kuhle hatte gemeinsam mit Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz die Suche nach einer geeigneten Kandidatin oder einem geeigneten Kandidaten für die Nachfolge des noch amtierenden Ulrich Kelber übernommen. "Sie ist die richtige Frau zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle", sagte von Notz. Die SPD hatte sich aus der Nominierung herausgehalten und stellt dafür den ersten Polizeibeauftragten des Bundestags.

Specht-Riemenschneider selbst will sich erst dann öffentlich inhaltlich äußern, wenn die Wahl auch tatsächlich vollzogen ist. Dafür muss sie zuerst in einer der kommenden Kabinettssitzungen formell vorgeschlagen werden. Üblich ist, dass Kandidatinnen oder Kandidaten für Beauftragten-Ämter, die vom Bundestag gewählt werden, vorher in den Fraktionen einen Antrittsbesuch absolvieren. Dann stimmt das Parlament ab.

Die Wahl soll in den kommenden Wochen erfolgen. Blickt man in den Sitzungskalender des Bundestags, könnte das etwa im Mai der Fall sein. Notwendig ist für die Wahl mehr als die Hälfte der Stimmen aller Bundestagsabgeordneten. Mit der Ernennung durch den Bundespräsidenten würde dann die kommissarische Amtsführung von Ulrich Kelber enden, dessen eigentliche Amtszeit als BfDI schon Anfang Januar zu Ende ging und der qua Gesetz längstens bis Anfang Juni die Geschäfte weiterführen darf.

Vorschusslorbeeren erhielt Specht-Riemenschneider unterdessen von Justizminister Marco Buschmann (FDP), der sie als "herausragende Expertin auf dem Gebiet des Datenschutzes und der Rechtsinformatik" bezeichnete. Als "ausgewiesene Expertin und Pragmatikerin" lobte sie Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP), und forderte im gleichen Atemzug eine "neue Datenkultur", die den "ermöglichenden Datenschutz" in den Mittelpunkt stelle. Auch die Grünen-Politikerin und Startupbeauftragte Anna Christmann zeigt sich über die Personalie erfreut.

Während es weiterhin Kritik am Verfahren gibt, auch weil die DSGVO eigentlich ein transparentes Verfahren vorschreibt, ist Kritik an der Kandidatin selbst bislang kaum zu vernehmen. Specht-Riemenschneider hat kein Parteibuch, ist kein politischer Versorgungsfall und auch als Verlegenheitslösung kann sie kaum bezeichnet werden.

Die Rechtswissenschaftlerin mit Lehrstuhl an der Universität Bonn hatte in Fachkreisen zuerst mit Arbeiten zur Debatte über Dateneigentumsrechte für Aufsehen gesorgt, später in mit einem relativ breiten Spektrum etwa zu Gesundheitsdaten, der Plattformregulierung, aber auch des Verbraucherrechts publiziert. Weitere Veröffentlichungen stehen bei ihr etwa im Bereich des Datenschutzes bei öffentlichen Stellen wie Polizei und Nachrichtendiensten zu Buche.

Als Leiterin der unabhängigen Aufsichtsbehörde würde Specht-Riemenschneider zudem für über 320 Mitarbeiter in den Bereichen Datenschutz und Informationsfreiheit zuständig sein - und damit dafür, entlang der Buchstaben der einschlägigen Gesetzeswerke die Durchsetzung des Rechts zu verfolgen und zu beraten.

Die Behörde ist beim Datenschutz bei Gesetzgebungsprozessen zu beteiligen, zudem ist sie für alle öffentlichen Stellen des Bundes, einschließlich der Nachrichtendienste und für den Datenschutz bei Postdienstleistungs- und Telekommunikationsunternehmen zuständig. Für andere datenverarbeitende Stellen sind die Aufsichtsbehörden der Länder zuständig - in 15 Bundesländern jeweils eine, in Bayern je eine für den öffentlichen und eine für den privaten Bereich.

Die nächste BfDI darf sich auf einige Debatten freuen. Dazu gehört etwa der Streit um die "Pay or okay"-Modelle, also ob eine Einwilligung in Tracking als Alternative zu einem Bezahlmodell zulässig ist. Dazu kommen weitere Fragen rund um digitale Werbung und die Anwendung von Teilbereichen des DSA, die nach dem deutschen Digitale-Dienste-Gesetz beim BfDI liegen sollen.

Aber auch das deutsche Gesundheitsdatennutzungsgesetz, das Forschungsdatennutzungsgesetz und der Europäische Gesundheitsdatenraum (EHDS) werden wichtige Fragestellungen aufwerfen, genau wie die biometrische Überwachung nach der Verabschiedung des AI Act. Dazu kommen absehbar neue und alte Diskussionen um automatisierte Inhalte- und Chatkontrolle, Vorratsdaten und QuickFreeze sowie rund um den Einsatz von Analysesoftware bei Polizeibehörden und Nachrichtendiensten.

Die neuen Regeln für die Kooperation der Datenschutzaufsichtsbehörden in Europa, mit denen die Durchsetzungsmechanismen verändert werden sollen, dürften ebenfalls einige Fragen aufwerfen. Specht-Riemenschneider wird Deutschlands Datenschützer im Europäischen Datenschutzausschuss vertreten; ihr Vorgänger Ulrich Kelber hatte in den EU-Gremien und auf internationaler Ebene viel Gewicht.

Intensiv dürften aber auch die Debatten rund um die Angemessenheit des Datenschutzes in den USA werden, angesichts der Neuauflage des Auslandsüberwachungsgesetzes FISA und des geplanten bundesweiten Datenschutzgesetzes. Langeweile, soviel scheint sicher, dürfte in der Behörde mit Hauptsitz in Bonn auch in Zukunft eher nicht ausbrechen.

(vbr)