Neue BSI-Chefin: "Es muss eine sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung geben"

Claudia Plattner ist am Freitag als neue BSI-Chefin vorgestellt worden. Für Ministerin Faeser ist sie "die richtige Frau für eine zentrale Rolle".

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(Bild: BSI/bundesfoto/Uwe Völkner)

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Von
  • Falk Steiner

Seit Anfang Juli ist Claudia Plattner die neue Chefin des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik. Gemeinsam mit ihrer Chefin, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), gab sie am Freitag in der Bundespressekonferenz in Berlin erste Einblicke in ihre Interpretation der Rolle als Cybersicherheitschefin der Bundesrepublik.

Der Arbeitsauftrag der Ministerin, die im Herbst in Hessen Ministerpräsidentin werden möchte, ist klar: "Wir müssen unsere Cyberabwehr weiter stärken. Brauchen eine höhere Widerstandsfähigkeit", sagte Nancy Faeser (SPD) am Freitagmittag in der Bundespressekonferenz. Angesichts der Bedrohungslage sei es überaus relevant, dass es auch bei der inneren Sicherheit eine "Zeitenwende" gebe. Mit Plattner steht erstmals eine Präsidentin an der Spitze der Bonner Behörde. Faeser zeigte sich "froh und dankbar", dass Claudia Plattner das Amt angetreten habe, denn die ehemalige IT-Direktorin der Europäischen Zentralbank sei "für diese zentrale Rolle die richtige Frau."

Faeser wünschte der neuen BSI-Chefin ein "glückliches Händchen" und zählte erst einmal auf, was in den kommenden Monaten rund um das BSI passieren soll. Einmal steht die Zentralstellenfunktion für eine bessere Koordination zwischen Bund und Ländern an, die nach Faesers Willen etwa dem Verhältnis von Bundes- und Landeskriminalämtern nachempfunden sein soll. "Jetzt haben wir die Schwierigkeit, dass wir alles in Form der Amtshilfe machen müssen", sagt Faeser – und das sei zu langsam.

Auch die Umsetzungsgesetzgebung zur revidierten EU-Netzwerk- und Informationssicherheitsrichlinie (NIS2) ist in der Pipeline. Allein die würde eine Verfünffachung der als Kritische Infrastrukturen (Kritis) eingestuften Stellen bedeuten, sagte Faeser. Viel Arbeit für das BSI, für das im Haushaltsentwurf der Bundesregierung derzeit keine Erweiterungen geplant sind. Dazu will Faeser auch die "Cybersicherheit in Lieferketten" erhöhen, auch das soll per Gesetz geregelt werden und ein Entwurf bald vorgestellt werden – noch mehr Aufgaben.

Claudia Plattner, die bislang nicht auf dem öffentlichen politischen Parkett beheimatet war, sprühte bei ihrem ersten größeren öffentlichen Auftritt geradezu vor Elan. "Resilienz aufbauen", das bedeute für sie: "Mit Angriffen umgehen zu können, ohne gleich umzufallen." Dafür brauche es eine tragfähige Sicherheitsarchitektur und die Zentralstellenfunktion sei dafür ein wichtiger Punkt. "Wir müssen zusammenarbeiten", betonte Plattner immer wieder, über Verwaltungsebenen und Sektoren hinweg.

Die Mathematikerin hat offenkundig keine Berührungsängste mit den klassischen Sicherheitsbehörden. "Abgrenzung gilt nicht", sagt sie, "wir müssen uns Möglichkeiten schaffen, damit wir auch kooperieren." Zugleich beharrt die neue BSI-Präsidentin aber darauf, dass das BSI eben seine eigene Perspektive habe: "Wir haben eine fachlich-sachliche Meinung. Die hat was mit dem Thema Sicherheit zu tun. Und das ist unsere Aufgabe, die jederzeit anderen zur Verfügung zu stellen."

Es könne aber Gründe geben, warum andere Stellen andere Perspektiven hätten. "Mir ist nicht wohl dabei, wenn wir als IT-Sicherheitsexperten geopolitische Lagen beurteilen müssen", meint Plattner – und das gelte andersherum genauso. Andere Einschätzungen zu treffen, sei "Privileg und Verantwortung dieser anderen Stelle." Sie sehe die Rolle des BSI darin, zu sagen: "So sieht's aus, aus Cybersicherheitsperspektive." Der größere Kontext sei nicht unbedingt Aufgabe der Behörde.

Konkret wurde Plattner am Beispiel der Diskussion um Client-Side-Scanning und Backdoors: "Die fachlich-sachliche Meinung aus der Sicherheitsperspektive ist ganz eindeutig: Es muss eine sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung geben." Hintertüren seien dabei nicht vorgesehen. Nancy Faeser nickte eifrig. Denn Plattner lässt sich mit dieser Argumentation für künftige Diskussionen selbst eine große Hintertür offen: Das BSI könnte dann einfach als Mindermeinung mit spezifischer Perspektive betrachtet werden.

Auch bei Plattners zweitem Vorhaben nickte die Ministerin: Sie will die Digitalisierung voranbringen: "Das funktioniert nur dann, wenn sie sicher ist. Ergo ist es unser Job, Digitalisierung auch möglich zu machen." Wie das etwa genau aussehen wird, wenn es etwa um die elektronischen Identifikationsmöglichkeiten, die Registermodernisierung, das Onlinezugangsgesetz, Smart-Meter und die Gesundheitsdigitalisierung geht, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

Auch beim umstrittenen Thema Hackback war zwischen Plattner und Faeser keine Differenz zu erkennen: Faeser erläuterte, dass es dabei etwa darum gehe, Schadverkehr umzuleiten. Die Kompetenz dazu könne das BKA erhalten, wo auch bereits jetzt Tätigkeiten im Ausland angesiedelt würden. Technisch findet Plattner das richtig: "Man kann nicht immer nur abwehren, man muss im Zweifel auch dafür sorgen, dass man aus der Schusslinie kommt, davon bin ich persönlich überzeugt." Und das müsse ihrer Auffassung nach nicht das BSI tun. Nancy Faeser nickte, wieder einmal.

Plattner machte keineswegs den Eindruck, dass sie bei aller signalisierten Kooperationsbereitschaft mit anderen nicht auch bereit wäre, die fachlichen Perspektiven des BSI durchzuboxen. Dass sie in der oft zähen, grauen Wirklichkeit zwischen Bonner Behördendasein und dem Innenministerium am Berliner Spreebogen viele inhaltliche Kämpfe austragen wird müssen, scheint ihr bewusst zu sein. Plattner sagt: "Ich bin hier aus einem Grund: Ich möchte etwas voranbringen." Ob ihr dabei mehr Glück vergönnt ist als dem unter fragwürdigen Umständen geschassten Vorgänger Arne Schönbohm, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Nancy Faeser jedenfalls fällt auch heute zu dem nach wie vor nur ein, dass der nun eine andere Position bekleide.

(dahe)