Durchbruch nach jahrzehntelanger Suche: Erstmals Atomkern per Laser angeregt

Atomkerne mit Lasern zu manipulieren, galt lange als erstrebenswert, aber unmöglich – mit einer einzigen Ausnahme. Nach langer Vorarbeit ist es nun gelungen.

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GErenderte Darstellung eines Kristallgitters und eines Lasers, der hineingestrahlt wird.

Künstlerische Darstellung eines Lasers, der den Zustand eines Thorium-Kerns in einem Kristall ändert.

(Bild: © Oliver Diekmann, TU Wien)

Lesezeit: 4 Min.

Einer Forschungsgruppe aus Deutschland und Österreich ist es erstmals gelungen, einen Atomkern gezielt mit einem Laser anzuregen. Bislang ist das nur bei Atomen oder Molekülen gelungen. Der jetzt publik gemachte Durchbruch dürfte nicht nur deutlich präzisere Atomkernuhren ermöglichen, sondern auch viel genauere Messungen physikalischer Größen, erklärt die Technische Universität Wien. Dem Erfolg ist eine jahrzehntelange Suche nach der exakten Energiemenge vorausgegangen, die nötig ist, um den sogenannten Thorium-Übergang anzuregen. Mit der jetzt vorgestellten Arbeit lassen sich zwei Bereiche der Physik miteinander verbinden, die bislang nur wenige Berührungspunkte hatten, ergänzt das Team: die klassische Quantenphysik und die Kernphysik.

Wie die Forschenden in Erinnerung rufen, ist es längst alltäglich, Atome oder Moleküle mit Lasern zu manipulieren. Mit der richtigen Wellenlänge können die dabei dazu gebracht werden, von einem Zustand in einen anderen zu wechseln. Auf diesem Weg lassen sich ihre Energien exakt ermitteln, was viele Präzisionsmesstechniken ermöglicht. Das aber auf die viel kleineren Atomkerne anzuwenden, schien lange unmöglich. Dafür sei normalerweise viel mehr Energie nötig, über die Photonen überhaupt nicht verfügen würden. Gleichzeitig seien Atomkerne aber eigentlich "die perfekten Quantenobjekte für Präzisionsmessungen". Weil sie kleiner und weniger störanfällig sind, würden sie Messungen mit unerreichter Genauigkeit ermöglichen.

Seit mehr als 50 Jahren wurde demnach aber darüber spekuliert, dass es einen ganz bestimmten Atomkern geben könnte, der sich vielleicht doch mit einem Laser manipulieren lassen könnte. Thorium-229 weise zwei eng benachbarte Energiezustände auf, zwischen denen ein gezielter Wechsel angeregt werden könnte. Die dafür nötige Energie müsste man aber sehr genau kennen: "Wenn man auf ein Elektronenvolt genau weiß, bei welcher Energie sich dieser Übergang befindet, dann nützt das wenig, wenn man ihn auf ein Millionstel Elektronenvolt genau treffen muss, um ihn nachzuweisen", erklärt Thorsten Schumm von der TU Wien. Es sei die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen gewesen, weswegen sie so lange gedauert hat.

Erfolgreich war das Team jetzt, weil es Kristalle entwickelt hat, die Thorium-Atome in großer Zahl enthielten, schreibt die Universität. Das sei zwar technisch aufwendig gewesen, habe aber den Vorteil gehabt, dass nicht einzelne Thorium-Kerne mit einem Laser untersucht wurden, sondern 1017 davon gleichzeitig – "millionenfach mehr, als es Sterne in unserer Galaxie gibt". Dadurch konnte das Probieren zwar nicht umgangen werden, aber die jeweils nötigen Messungen, um zu ermitteln, ob der Übergang erreicht wurde, wurden verkürzt. Am 21. November 2023 wurde dann erstmals die Energie des gesuchten Thorium-Übergangs exakt getroffen. Der Laser hat den Zustand gezielt umgeschaltet und die Suche erfolgreich beendet. Die konkrete Vorarbeit für dieses Experiment lief demnach seit 2009. Vorgestellt wird der Meilenstein jetzt in den Physical Review Letters.

Ein zentrales Fernziel der Arbeit war eine Atomkernuhr, erläutert das Team. Wenn man das Licht, das den Thorium-Übergang anregt, als Zeitgeber nutzt, könnte man damit eine neuartige Uhr bauen, "die noch einmal deutlich genauer wäre als die besten Atomuhren, die es heute gibt". Anhand der jetzt bald möglichen Präzisionsmessungen könnte man außerdem das Gravitationsfeld der Erde so genau vermessen, dass sich Hinweise auf Erdbeben und sogar Bodenschätze ergeben könnten, prognostiziert das Team. Zudem könnte man nun auch überprüfen, ob Naturkonstanten tatsächlich konstant sind. "Unsere Messmethode ist erst der Anfang", versprich Schumm und: "Spannend wird es ganz sicher."

Update

Detail zum Vorgehen ergänzt

(mho)