Atemberaubend: Hat Ducati noch eine Zukunft?

Ducati baut atemberaubende Motorräder, aber ihr Verkauf sinkt seit Jahren. Die Marke leistet sich teuren Rennsport, während Volkswagen sie am liebsten los wäre.

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Ducati

Die Ducati 750 SS begründete 1972 mit Desmodromik in der Ventilsteuerung und einem schnellen Fahrwerk den Ruf der sportlichen Ducatis. Er hallt bis heute.

(Bild: Ducati)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Ducati genießt geradezu kultische Verehrung. Das liegt zum einen an Meilensteinen des Motorradbaus wie die 750 SS mit Königswellen, das elegante Superbike 916 oder den Bestseller Monster. Zum anderen begeisterte Ducati seine Fans durch zahllose Rennsiege, 14 Superbike-WM-Titeln und einer MotoGP-Weltmeisterschaft. Es war der Kampf des italienischen Davids gegen den japanischen Goliath, der Ducati stets Sympathien einbrachte.

Heute beeindruckt die Marke aus Bologna durch PS-Protze wie das Superbike Panigale V4, die Streetfighter V4 und die Reiseenduro Multistrada V4, die neben gewaltiger Kraft auch modernste Elektronik bieten. Und doch musste Ducati für das Geschäftsjahr 2020 zum dritten Mal in Folge sinkende Verkaufszahlen verbuchen. Ducati gehört zu den Premium-Marken und lebt von seinem hervorragenden Ruf als Sportmotorrad-Hersteller, doch genau das wird für die Marke zum Problem.

Ducati baut exzellente Sportbikes, aber der Markt für Sportmotorräder ist schon vor Jahren drastisch eingebrochen. Um wieder auf höhere Produktionszahlen zu kommen, verpflanzte die Entwicklungsabteilung in Bologna die kaum gezähmten V2- bzw. V4-Motoren aus den Superbikes in das florierende Segment der Reiseenduros, in der Hoffnung, dass die Kunden extrem starke Motoren auch dort schätzen würden. Die Ducati Multistrada 1200 Enduro (Test) war und ist ein faszinierendes Motorrad, erreichte aber nie auch nur annähernd die Verkaufszahlen der BMW R 1250 GS (Test) oder der Honda CRF 1100 L Africa Twin.

Für verlässliche Geldströme sorgte lange Zeit allein die 1992 präsentierte Monster. Obwohl Ducati gerne seine kostspieligen Superbikes ins Rampenlicht schob, war es doch das schlichte, aber schöne Naked Bike, das die Firma finanziell am Leben hielt, insgesamt wurden bis heute über 350.000 Monster mit diversen luft- und wassergekühlten Motoren gebaut.

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Ducati hofft mit der neuen Monster endlich die Verkaufszahlen wieder ankurbeln zu können. Sie ist leicht und 111 PS stark, aber bricht mit der Tradition des Gitterrohrrahmens und versteckt den Motor hinter Kunststoffblenden. Ihr Preis ist mit 11.295 Euro recht ambitioniert.

Doch auch die Monster verlor schließlich an Strahlkraft und die Kunden wanderten zur immer besser werdenden und meist günstigeren Konkurrenz ab. Ducati nutzte 2014 den angesagten Retro-Trend und brachte die Scrambler heraus. Mit dem luftgekühlten 800er-V2 aus der Frühzeit der Monster verkaufte sie sich zunächst sehr gut. Doch als die Retro-Welle verebbte, ging es mit der mittlerweile breitgefächerten Scrambler-Baureihe bergab, die zuletzt vorgestellte Scrambler 1100 (Test) stand wie Blei in den Läden.

Ducati brauchte deshalb unbedingt wieder eine neue Monster als erfolgreiches Volumenmodell, doch die zum Modelljahrgang 2021 präsentierte Nachfolgerin hat kaum noch etwas mit der legendären Ur-Monster gemeinsam und stößt Traditionalisten vor den Kopf: kein Gitterrohrrahmen mehr und der wassergekühlte V2 versteckt sich hinter Kunststoffblenden. Die Monster ist nicht mehr auf Anhieb als Ducati erkennbar, das Design sieht eher nach der Yamaha MT-07 (Test) aus. Erstaunlich, dass der erfahrene Ducati-Boss Claudio Domenicali ein modernes, aber gewagtes Konzept der historischen Evolution vorzog. Wie fatal ein Fehlgriff im Design sein kann, hatte Ducati schon einmal 2003 beim Superbike 999 erfahren müssen: Die kantige Nachfolgerin der Ikone 916 wurde von der Mehrheit der Fans abgelehnt und die Verkaufszahlen brachen ein.

Die neue Monster erhält den bewährten 937-cm3-Motor aus der Supersport und Hypermotard 950 (Test), der jetzt in Euro-5-Norm 111 PS leistet, und soll nur 188 kg wiegen. Sie wird sicher gute Fahreigenschaften liefern, doch der Wegfall des aufwendigen Stahl-Gitterrohrrahmens zugunsten eines knappen Alu-Frontrahmens und die Verwendung eines schon länger produzierten Motors sollten eigentlich Kosten sparen, dennoch verlangt Ducati 11.290 Euro Listenpreis für das Basismodell. Die Preispolitik könnte zur Falle werden, denn den Bestseller Kawasaki Z 900 (Test) mit 125 PS gibt es schon für 9695 Euro und die brandneue Yamaha MT-09 mit 119 PS für 9799 Euro.

Ein Misserfolg des Hoffnungsträgers Monster würde Ducati in Bedrängnis bringen, weil die italienische Marke 2020 nur 48.042 Motorräder produzierte und damit etwa 3700 weniger als im Vorjahr. Natürlich spielte die Covid-19-Pandemie dabei eine Rolle, aber Ducati hat es in der gesamten letzten Dekade nicht geschafft, den Absatz deutlich anzukurbeln. Noch im Jahr 2010 lagen die beiden europäischen Konkurrenten Ducati und KTM mit rund 40.000 zu 60.000 gebauten Motorrädern gar nicht so weit auseinander.

Zehn Jahren später haben die Österreicher ihre Produktion dank einer geschickten Modellpolitik um mehr als das Vierfache auf 263.000 Stück gesteigert, die italienische Marke brachte es selbst in ihrem Rekordjahr 2017 auf nur 55.451 Motorräder, seitdem sinkt die Zahl stetig. In Deutschland musste sich Ducati 2020 mit bescheidenen 5465 neu zugelassenen Motorrädern zufrieden geben und selbst im Heimatmarkt Italien waren es nur 7100. Die meistverkaufe Baureihe war die Scrambler mit weltweit 9265 Stück. Zum Vergleich: Allein in Deutschland wurden vergangenes Jahr 9228 Stück der BMW R 1250 GS verkauft.

Die ganz großen Stückzahlen werden in Europa schon seit einigen Jahren vor allem mit modern gestylten Naked Bikes von etwa 700 cm3 Hubraum und ca. 75 PS im Preisbereich um die 7000 Euro gemacht, wie die Yamaha MT-07, Kawasaki Z 650 (Test) und Suzuki SV 650. Ducati braucht dringend ein modernes Einstiegsmotorrad in dem Bereich, denn das Retro-Bike Scrambler Icon Dark ist mit 8790 Euro das günstigste Motorrad im Ducati-Programm und findet nach sechs Jahren Bauzeit kaum noch Käufer. Die neue Monster erhielt keine Hubraumbezeichnung mehr, wie es früher üblich war, was darauf schließen lässt, dass sie in absehbarer Zeit nicht mit einem kleineren und billigeren Motor kommen wird.

2018 gab es Gerüchte, dass Ducati mit dem indischen Hersteller Hero ein Einzylinder-Bike mit circa 300 cm3 Hubraum bauen wollte. Ein Einstieg in den riesigen indischen Markt würde wieder Geld in die Kassen nach Bologna spülen, aber bis jetzt wurde noch keine Ducati/Hero präsentiert. Auch das Thema Elektro-Motorrad sah Claudio Domenicali als wichtig an und verkündete bereits Anfang 2019, dass Ducati nahe an der Serienfertigung eines rein elektrisch betriebenen Fahrzeugs stehen würde. Im Januar 2021 kam die Ernüchterung in Form eines faltbaren E-Bikes für den Stadtverkehr. Was man in Bologna sonst bei den Elektro-Motorrädern plant, ist streng geheim, aber fertige Modelle werden wohl noch eine Weile auf sich warten lassen.