Triumph Tiger Sport 660 im Test

Gleichteil-Politik bedeutet nicht zwangsläufig Langeweile, sondern bringt auch überraschend gute Bikes mit sich. Triumphs Tiger Sport 660 gehört fraglos dazu.

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Triumph Tiger Sport 660

Soviel Motorrad für so wenig Geld ist in der Mittelklasse zurzeit unschlagbar. Das Design der Triumph Tiger Sport 660 ist gelungen, der Dreizylindermotor ist ein Gedicht und auch das Fahrwerk schlägt sich wacker.

(Bild: Gach)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Im vergangenen Jahr hat Triumph die Trident 660 mit einem neuen Dreizylindermotor vorgestellt. Das Mittelklasse-Bike hat wohl einen Nerv getroffen, denn es wurde auf Anhieb zur meistverkauften Triumph. Jetzt schieben die Engländer die Tiger Sport 660 hinterher. Doch sie ist viel mehr als nur eine hochgelegte Trident 660. Die Tiger Sport 660 bietet nicht nur ein breiteres Einsatzspektrum, sondern auch einen moderneren Look.

Wenn Triumph eines wirklich hervorragend beherrscht, dann Design, das den Zeitgeist trifft. 1997 preschte die englische Marke mit dem ersten Streetfighter in Gestalt der Speed Triple T509 vor, fünf Jahre später läutete sie mit der Bonneville T100 die Retrowelle ein, 2006 eroberte die Daytona 675 die Rennstrecken und die Herzen der Sportfahrer. 2021 präsentierten die Briten mit der Trident 660 ein völlig neues Konzept, die Optik balancierte gekonnt auf einem schmalen Grat zwischen Retro und Moderne. Sie bescherte Triumph ein Rekordjahr, alleine in Deutschland wurden 1296 Trident 660 verkauft.

Es war naheliegend, dass Triumph den gelungenen 660er-Dreizylindermotor im Baukastensystem weiter verwertet. Doch die Tiger Sport 660 ist optisch so weit von der Trident 660 entfernt, dass man kaum glauben mag, dass sie sich Motor, Auspuff, Rahmen, Schwinge, Felgen und Bremsen teilen. Sie wirkt dynamisch, ohne gleich übertrieben aggressiv zu sein. Die schnittige Verkleidung integriert zwei schräg stehende LED-Scheinwerfer und geht fließend in den Tank über. Zwei elegante Cover decken den Kühler ab und der Windschild geht von der Größe gerade noch als sportlich durch. Der Heckrahmen ist bei der Tiger Sport 660 im Vergleich zur Trident 660 neu gestaltet und fällt mit dem Gitterrohrkonstrukt deutlich stabiler aus. Die Sitzbank bildet vorne eine tiefe Mulde und läuft hinten spitz bis über das LED-Rücklicht aus. Die Tiger Sport 660 wirkt höher als die Trident 660 und tatsächlich sind ihre Federwege mit je 150 Millimetern auch um 30 bzw. 16 Millimeter länger.

Mit 840 Millimetern fällt die Sitzhöhe merklich höher aus und der Kniewinkel ist entspannter als auf der Trident. Aufrecht sitzend und den breiten Lenker lässig zur Hand lässt sich die Tiger Sport 660 spielerisch dirigieren. Der Motor erwacht beim ersten Knopfdruck mit unverkennbarem Dreizylinder-Sound. Dabei hält er sich in der Lautstärke erfreulich zurück, selbst bei hohen Drehzahlen wird er nie zu laut. Die leichtgängige Kupplung lässt sich mit einem Finger bedienen. Es sei lobend erwähnt, dass Triumph ihr einen einstellbaren Kupplungshebel spendiert hat – das ist in der Preiskategorie keine Selbstverständlichkeit. Die Gänge lassen sich zwar butterweich schalten, aber dank des optionalen Quickshifters – er funktioniert in beide Richtungen – ist das Ziehen des Kupplungshebels bis zur nächsten roten Ampel nicht mehr nötig. Der Quickshifter arbeitet mit kaum spürbaren Übergängen. Auch die serienmäßige Anti-Hopping-Kupplung trägt ihren Teil zum gediegenen Fahrerlebnis bei.

Den 660-cm3-Dreizylinder hatten wir schon im vergangenen Jahr in der Trident 660 ausdrücklich gelobt, in der Tiger Sport 660 gefällt er noch ein Quäntchen besser, weil die damals noch leicht verzögerte Gasannahme nicht mehr vorhanden ist. Anscheinend hat Triumph nach der Kritik die Software überarbeitet, denn jetzt folgt die elektronische Gasannahme direkt den Befehlen des Fahrers. Der Motor nimmt ab Leerlaufdrehzahl geschmeidig seine Arbeit auf und drückt immer weiter ohne Leistungslöcher an. Seinen Maximalwert von 81 PS erreicht er bei 10.250/min, doch es ist selten nötig sie abzurufen. Auch wenn der Dreizylinder sehr drehfreudig ist, fühlt er sich im unteren und mittleren Drehzahlbereich am wohlsten, zumal er dort auch keinerlei Vibrationen spüren lässt. Dank einer relativ kurzen Übersetzung zeigt sich das Mittelklasse-Bike sogar erstaunlich durchzugsstark, was bei 64 Nm Drehmoment nicht unbedingt zu erwarten wäre.

Triumph Tiger Sport 660 (8 Bilder)

Triumph präsentiert mit der Tiger Sport 660 ein komplett neues Modell. Die britische Debütantin legt einen furiosen Start hin.

Am meisten überrascht mich das Showa-Fahrwerk. Die Upside-down-Gabel ist nicht einstellbar, das Federbein hinten kann nur in der Vorspannung variiert werden, das aber immerhin über einen praktischen Drehknauf. Dennoch liegt die Tiger Sport 660 ausgesprochen gut, egal ob auf holprigen Nebenstraßen oder in schnellen Kurven. Die Gabel spricht feinfühlig an und gibt ein gutes Feedback, gleiches gilt für das Federbein. In der Grundabstimmung zeigt sich die Tiger Sport 660 eher straff, doch dank der langen Federwege verdaut sie auch harte Schläge, ohne sie an den Fahrer weiterzuleiten. Zwar fällt ihr Radstand mit 1418 um zehn Millimeter länger aus als bei der Trident, doch dafür ist der Nachlauf mit 97,1 um rund zehn Millimeter kürzer und der Lenkkopfwinkel mit 66,9 Grad um 1,5 Grad steiler.

Daraus ergibt sich ein superbes Handling der vollgetankt 206 kg schweren Triumph. Nicht zuletzt dank der exzellente Michelin Road 5-Reifen liebt die Tiger Sport 660 Kurven jeglicher Art. Einzig der 180er-Hinterreifen erscheint ein wenig zu dick aufgetragen. Während der 120er-Vorderreifen präzise durch den Radius eilt, fühlt sich der hintere Pneu manchmal etwas unwillig an. Wobei sich mir allgemein die Frage stellt, warum immer mehr Hersteller dazu übergehen, auf Modellen mit weit unter 100 PS so breite Hinterreifen aufzuziehen. Zwar ist das Handling der Tiger Sport 660 gut, aber ein schmalerer Pneu hinten würde es noch weiter verbessern. Dass Triumph dieses Prinzip bekannt ist, zeigt die neue Tiger 1200: Die 150 PS starke Reiseenduro trägt einen 150er-Hinterreifen.